Master of Orion - The Board Game
Kann ein 4X-Spiel im Weltraum als einfaches Brettspiel mit wenig Komponenten umgesetzt werden, und gleichzeitig den strategischen Aspekt der Vorlage bewahren? Wir prüfen, wie gut dies bei der Master-of-Orion-Umsetzung gelungen ist.
Master of Orion und MOO2: Battle for Antares von 1993 und 1996 gehören zu den größeren Namen des Rundenstrategie-Untergenres "Weltraum-4X". Dementsprechend war die Erwartungshaltung hoch, als Wargaming die Neuauflage ankündigte, die im August diesen Jahres erschien (Testnote 7.0, Userwertung 8.3). Das russische Entwicklungsstudio hat parallel eine Brettspiel-Variante zu Master of Orion gefertigt, die eines der Highlights auf der Essener Brettspielmesse Spiel 2016 war und seitdem auf Russisch und Englisch erhältlich ist.
Master of Orion - The Board Game ist eine Mischung aus Eurogame und Kartenlegespiel, bei dem bis zu vier Spieler als Anführer einer von sieben Rassen antreten. Im Gegensatz zur PC-Vorlage entfällt jedoch viel der Komplexität, und es gibt eine Begrenzung auf acht Spielrunden. In jeder Runde erwirtschaftet ihr Ressourcen, mit denen ihr Gebäude in einem von vier euch zu Verfügung stehenden Systemen zu bauen. Verfügbare Gebäude sind Karten von eurer Hand, die ihr von einem gemeinsamen, verdeckten Hauptstapel zieht. Jede Aktion (Bau, Forschung, Handel, Kampf, Anheuern, Propaganda, Verwertung, Gebäudeaktivierung) kostet euch einen Aktionswürfel. Diese sind einfarbig und ohne Punkte, man würfelt also nicht mit ihnen. Meist dürft ihr vier pro Runde verwenden.
Außerirdische statt Menschen
Abgesehen von den Menschen hat jede der sieben Rassen (die PC-Version enthält zehn, mit Vorbestellerbonus elf) leicht unterschiedliche Startressourcen und jeweils eine Spezialfertigkeit: So ziehen die Psilons bei der Forschung drei statt zwei Karten. Die Bulrathi erhalten bei hoher Ressourcengewinnung lediglich vier statt fünf Aktionswürfel, verlieren dafür jedoch keine Moral und erhalten wahlweise zwei Flotten oder eine Produktion zusätzlich. Aufgrund dieser Eigenheiten macht es eigentlich wenig Sinn, die Menschen zu wählen – es sei denn, ihr wollt absolute Chancengleichheit im Spiel gegeneinander haben. Die Fertigkeiten sind aber nicht so gravierend, als dass eine Zivilisation dadurch zu stark würde.
Der Einstieg in Master of Orion The Board Game ist denkbar einfach. Ressourcen werden verteilt, dann führt jeder Spieler abwechselnd seine Aktionen durch, bis keiner mehr Aktionswürfel übrig hat. Anschließend beginnt eine neue Runde mit dem Nächsten reihum als Startspieler. Einzig die Karten mit den Gebäuden, die ihr bauen könnt, unterscheiden sich. Sie stellen die Glückskomponente im Spiel dar (Würfel gibt es keine). Entsprechend ist es ausschlaggebend, dass die Karten, die ihr im Laufe des Spiels zieht, zu eurer Strategie passen beziehungsweise ihr eure Strategie den Karten, die ihr zieht, anpasst. Ansonsten kann es passieren, dass ihr beispielsweise eine aggressive Taktik verfolgt, aber die entsprechenden Karten dafür nicht zieht. Oder aber euer Gegner erhält Karten, die ihm zum Spielende viele Siegpunkte geben, die ihr in der Partie nie zu Gesicht bekommt.
Aktive Gebäude
Anstatt gute Planeten zu suchen und zu kolonisieren, wie in der PC-Vorlage, startet jeder Spieler bereits mit vier Kolonien, die bebaut werden wollen. Die meisten Gebäude produzieren jede Runde eine der drei Ressourcen Nahrung, Flotte oder Produktion. Abgesehen davon haben sie meist auch eine Funktion. Einige Gebäude geben euch beim Bau einen Bonus wie Ressourcen, andere zu Beginn jeder Runde einen Siegpunkt. Rote Gebäude haben mit Kampf zu tun und geben euch jedes Mal einen Bonus, wenn ihr einen anderen Spieler angreift. Diese Boni sind jedoch nur dann aktiv, wenn das Gebäude das neueste in seinem System ist. So müsst ihr euch überlegen, in welcher Reihenfolge ihr Gebäude platziert, und in welches eurer vier Systeme ihr einen Neubau platziert, um keine wertvolle Funktion zu verlieren, die ihr bereits habt.
Abgesehen von den Gebäuden gibt es in Master of Orion auch Berater, die unabhängig von der Zivilisation agieren und von jedem Spieler angworben werden können. Zu Spielbeginn werden neben dem Siegpunkte-Blatt nach dem Zufallsprinzip fünf der acht Berater offen ausgelegt. Heuert ihr einen Berater an, unterstützt dieser euch ab diesem Moment mit seiner Fertigkeit: So erlaubt euch beispielsweise Fulcrum Sandebar, ein fünftes System zu kolonisieren. Habt ihr schon einen Berater, wird der alte abgelegt und durch den Neuen ersetzt.
Mehrere Wege führen zum Sieg
Da ihr nur acht Runden Zeit habt, müsst ihr euch gut überlegen, welche Aktionen ihr in euren Zügen tätigt, um zur Auswertung am Spielende siegreich zu sein. Zum einen könnt ihr versuchen, möglichst häufig anzugreifen, um schon im laufenden Spiel viele Siegpunkte anzusammeln. Zusätzlich senkt das die Moral des Gegners, sodass dieser Aktionen zur Steigerung seiner Moral verbrauchen muss. Andererseits dürft ihr die Gebäude nicht unterschätzen, die am Ende des Spiels Siegpunkte geben. Diese gibt es unter anderem für Anzahl gebauter roter Karten oder Anzahl von Gebäuden, die Nahrung produzieren. Außerdem existiert das Gebäude "Galaktischer Knoten", das satte zwölf Siegpunkte wert ist, jedoch abgesehen davon keinerlei Funktion hat – und jeweils sieben der drei Ressourcen zum Bau erfordert. Meist hat in unseren Testspielen eine einzige Aktion zwischen Sieg und Niederlage entschieden, sprich: Das Ergebnis ist oft knapp.
Wenn euch das Spielprinzip von Master of Orion gefällt, nicht aber die Weltraum-Umgebung, haben wir zwei Empfehlungen: In 51st State, das diesen Sommer in einer 2. Edition erschienen ist, übernehmt ihr die Rolle von Gangstern, die um Drogen und Territorium buhlen. Deutlich braver geht es in Imperial Settlers zu, das sich optisch eher an Siedler von Catan orientiert und euch eure mittelalterliche Siedlung ausbauen lässt.
Die (zumindest ansatzweise vorhandene) Komplexität der digitalen Vorlage sucht ihr im Brettspiel weit und breit vergebens. Dennoch fängt Master of Orion The Board Game die Essenz der Vorlage ganz gut ein. Als reines Brettspiel betrachtet, hat es einiges zu bieten. Da ihr mit einiger Wahrscheinlichkeit in keiner Partie die gleichen Gebäude bauen werdet wie in der letzten, dürfte auch die Langzeitmotivation ein paar dutzend Spielrunden erhalten bleiben.
Wir testeten die englische finale Version, die es für 30 Euro auf der Spiel 2016 in Essen zu kaufen gab. Gegen Ende des Jahres, spätestens aber Anfang 2017 soll Master of Orion auch in einer deutschen Fassung erhältlich sein.
Hersteller: Cryptozoic Entertainment (2017)
Spieleranzahl: 2 - 4
Spieldauer: ca. 45 - 60 Minuten
Preis: ca. 35 €
LG
Stefan
Master of Orion - The Board Game
Moderator: Zockers